
Es gibt nahezu keine Familie, in der es nicht irgendeine Form von Bildschirmzeit und damit verbundene Regeln gibt. War es doch in unserer Kindheit nicht anders. Zwar hatten wir keine Smartphones oder Tablets; ein Fernseher, Computer und häufig auch Spielekonsole oder Gameboy standen uns meist zur Verfügung. Auch unserer Eltern haben bereits darauf geachtet wie viel Zeit wir mit diesen Geräten verbringen.
Durch den Einzug von Smartphones und Tablets in unsere Heime und wie häufig wir selbst diese nutzen, sind unsere eigenen Kindern Bildschirmen deutlich stärker ausgesetzt als wir es waren. Umso wichtiger ist es, dass wir sinnvolle und familienfreundliche Regeln dafür aufstellen. Mit diesem Artikel möchte ich dir einen praktischen Leitfaden an die Hand geben, wie du in deiner Familie Bildschirmzeit-Regeln umsetzen kannst.
Warum sind Bildschirmzeit-Regeln wichtig?
Wir wissen es alle: zu viel Zeit vor dem Bildschirm und zu wenig Schlaf und Bewegung hat negative gesundheitliche Folgen. Jedoch fällt es uns selbst häufig schwer das Smartphone beiseitezulegen und eine Runde Sport zu machen. Für unsere Kinder sind Bewegung und Schlaf aber noch viel wichtiger als für uns. Sie befinden sich noch im Wachstum und in der Entwicklung. Für Kleinkinder heißt das konkret: je mehr Zeit sie vor dem Bildschirm verbringen und sich nicht bewegen, desto stärker sind die Auswirkungen. Sie laufen später, haben Koordinationsschwierigkeiten, sind teilweise bereits in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Zudem kann in Studien ein Zusammenhang zwischen Kurzsichtigkeit und der Augenbelastung durch Bildschirme festgestellt werden.
Doch nicht nur körperliche Auswirkungen von zu hohem Bildschirmkonsum solltest du in Betracht ziehen. Auch soziale und emotionale Auswirkungen können gravierend sein. Die Kommunikation in der online und offline Welt unterscheidet sich sehr deutlich. Das hast du mit Sicherheit selbst schon festgestellt, wenn du dich in Sozialen Netzwerken bewegst. Zudem sind echte Erlebnisse und Erfolge für Kinder wichtig, nicht nur die Bestätigung, die sie in der virtuellen Welt erhalten.
Als dritten Punkt möchte ich noch sagen, dass es zudem sinnvoll ist, nicht mit Verboten, sondern mit der Vermittlung von Medienkompetenz zu arbeiten. Wir müssen unseren Kindern einen bewussten und reflektierten Umgang mit dem Smartphone und anderen digitalen Geräten vermitteln. Ausschließlich über Verbote und Einschränkungen wird das aber nicht passieren.

Den Ist-Zustand analysieren
Bevor es daran geht, dass in deiner Familie feste Regeln vereinbart werden, solltest du den Ist-Zustand betrachten:
- Wie viel Zeit verbringt dein Kind vor einem Bildschirm?
- Wie viel Zeit verbringst du selbst vor einem Bildschirm? Wie oft im Beisein des Kindes?
- Welche Geräte werden dabei wie oft genutzt?
Zusätzlich musst du natürlich unterscheiden: Macht dein Kind etwas für die Schule oder Hausaufgaben, oder ist es Freizeit. Häufig unterschätzen wir, wie stark Laptop und Tablet in der Schule gebraucht werden.
Danach kannst du leichter problematische Gewohnheiten oder bestimmte Muster erkennen. Betrachte außerdem, wie es deinem Kind nach der Bildschirmzeit geht. Ist es gereizt, emotional aufgeladen und unruhig? Das kann darauf hindeuten, dass entweder die Dauer und/oder die Inhalte für dein Kind nicht geeignet sind. Auch wenn dein Kind dir sicherlich etwas anderes sagen wird. Behalte das im Hinterkopf.
Beobachte auch dich selbst. Vielleicht bekommst du es teilweise nicht mit, wenn dein Kind dich braucht, weil du selbst in dein Smartphone vertieft bist? Wie oft unterbrichst du das Spiel mit deinem Kind, weil du eine Nachricht auf das Handy bekommst? Das soll alles keine Kritik sein. Du solltest dir aber dessen bewusstwerden, und auch dem, dass Kinder mehr durch uns als Vorbilder als durch Worte lernen.
Familienregeln für Bildschirme gemeinsam aufstellen
Nachdem du dir jetzt klarer über die jetzige Situation bist, weißt du vielleicht auch schon, was du gegebenenfalls anpassen möchtest. Schreibe das zunächst für deine Familie gemeinsam mit deinem Partner auf. Anschließend stellt ihr zusammen Regeln für die Bildschirmzeit auf. Bezieht unbedingt eure Kinder mit ein! Dadurch werden die Regeln eine größere Akzeptanz haben. Macht die Regeln außerdem nicht nur für eure Kinder, sondern für euch alle als Familie.
Ich empfehle zudem nicht nur allgemeine Regeln wie „2 Stunden pro Tag Smartphone“, sondern diese zu konkretisieren. So halte ich es persönlich für sinnvoll, dass die Mahlzeiten ohne Bildschirme gemeinsam verbracht werden. Auch ist es für den Schlaf und die Erholung nachweislich besser, wenn 30-60 min vor dem Schlafen gehen nicht mehr aufs Handy, Tablet oder Fernseher geschaut wird. Versucht stattdessen mal ein Brettspiel zusammen, oder motiviert euch und die Kinder zum Lesen (es muss kein Buch sein, eine Zeitschrift tut es genauso 😉).
Neben der Dauer spielen auch die konkreten Inhalte eine Rolle. Versuche insbesondere bei jüngeren Kindern auf Qualität statt Quantität zu achten. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Apps und Spielen, die nicht nur Spaß machen, sondern auch sinnvoll und förderlich sind. Sieh dir dazu gerne meinen Artikel über die besten Apps für Kinder an. Bei aller Förderung und Pädagogik möchte ich aber auch anmerken, dass nicht alles zu 100 % lehrreich sein muss. Auch gemeinsam einen Zeichentrickfilm zu schauen, gehört dazu.

Alltagstaugliche Regeln formulieren
Wenn ihr als Familie die Vorgaben formuliert, achtet darauf, dass diese alltagstauglich sind. Ein komplettes Handyverbot als Konsequenz auf einen Regelverstoß ist beispielsweise nicht sinnvoll. Versuche zudem nicht nur Verbote einzubinden, sondern auch Alternativen aufzuweisen. Zum Beispiel können das gemeinsame Offline-Aktivitäten wie ein Schwimmbad- oder Zoo-Besuch sein.
Passe die Regeln zudem flexibel an. Hast du zwei Kinder unterschiedlichen Alters, wird das Kleinkind sicherlich andere Regeln haben als ein Schulkind oder Teenager. Bei Schulkindern und Teenager ist es immer wichtig auch zu bedenken, dass diese bereits in der Schule und auch für die Hausaufgaben oft einen Laptop oder ein Tablet brauchen. Das sehen wir analog in unserem Berufsleben. Natürlich dürfen die älteren Kinder dann ebenso Freizeit vor dem Bildschirm verbringen. Allerdings ist es meiner Meinung nach zunehmend wichtiger auch Offline-Angebote zu machen. Sei es ein Sportverein oder gemeinsame Ausflüge.
Was ich bei den Regeln ebenfalls wichtig finde, ist dass wir Eltern eine Vorbildfunktion haben. Reflektiere auch deine eigene Bildschirmzeit und halte dich an die Familienregeln. Wenn du und dein Partner sich nicht daranhalten, werden eure Kinder es auch nicht tun.
Umsetzung und Durchsetzung der Bildschirmzeit-Regeln
Das Aufstellen von Vorgaben bei der Bildschirmzeit ist aber erst der erste Schritt. Der viel Schwierigere und Aufwändigere ist die Umsetzung und Durchsetzung der Regeln. Vereinbart klare Konsequenzen bei Regelverstößen. Diese sollten logisch und fair sein und eine direkte Konsequenz des Regelverstoßes. Als Anregung möchte ich dir gerne ein paar Beispiele zeigen:
1. Natürliche Konsequenzen – Ursache und Wirkung verstehen
👉 Beispiel: Dein Kind schaut länger fern, obwohl es schon Schlafenszeit ist. Am nächsten Morgen ist es müde und unkonzentriert.
✅ Lösung: Statt zu schimpfen, kannst du sanft darauf hinweisen:
➡ „Heute bist du ganz schön müde. Vielleicht hilft es dir, heute Abend rechtzeitig den Fernseher auszuschalten, damit du morgen fitter bist.“
💡 Warum das funktioniert: Kinder erleben die Auswirkungen selbst und lernen daraus.
2. Logische Konsequenzen – Zeit ausgleichen
👉 Beispiel: Dein Kind hat seine Bildschirmzeit um 20 Minuten überschritten.
✅ Lösung: Die überschrittene Zeit wird am nächsten Tag abgezogen.
➡ „Gestern hast du 20 Minuten länger am Tablet gespielt, deshalb ist deine Zeit heute 20 Minuten kürzer.“
💡 Warum das funktioniert: Kinder verstehen, dass Regeln Konsequenzen haben – aber ohne Strafe oder Verbot.
3. „Bildschirm-Pause“ zur Reflexion nutzen
👉 Beispiel: Dein Kind ignoriert immer wieder die vereinbarte Bildschirmzeit.
✅ Lösung: Statt sofortiges Verbot eine Reflexionspause einlegen.
➡ „Ich sehe, dass es dir schwerfällt, die Regel einzuhalten. Lass uns morgen eine Pause von der Bildschirmzeit machen und dann überlegen wir zusammen, wie es besser klappt.“
💡 Warum das funktioniert: Dein Kind fühlt sich ernst genommen und lernt, Verantwortung zu übernehmen.
4. Bildschirmzeit erst nach Erledigung wichtiger Aufgaben
👉 Beispiel: Dein Kind nutzt das Tablet, bevor es die Hausaufgaben gemacht hat – obwohl es anders vereinbart war.
✅ Lösung: Klare Reihenfolge festlegen.
➡ „Wir hatten abgemacht: Erst die Hausaufgaben, dann das Tablet. Heute gibt es deshalb keine Bildschirmzeit mehr, aber morgen kannst du es wieder versuchen – erst Aufgaben, dann Bildschirmzeit.“
💡 Warum das funktioniert: Dein Kind versteht, dass Bildschirmzeit ein Extra ist, das erst nach wichtigen Aufgaben kommt.
5. Alternative Aktivitäten als „Ausgleich“ anbieten
👉 Beispiel: Dein Kind schaut zu lange YouTube oder spielt am Tablet.
✅ Lösung: Eine gleichlange Offline-Aktivität als Ausgleich vorschlagen.
➡ „Du hast heute länger am Bildschirm verbracht als abgemacht. Als Ausgleich spielen wir jetzt eine Stunde draußen oder machen etwas Kreatives.“
💡 Warum das funktioniert: Es zeigt, dass Bildschirmzeit nicht die einzige Option für Spaß ist.
6. Mit dem Kind gemeinsam nach einer Lösung suchen
👉 Beispiel: Dein Kind hält sich immer wieder nicht an die Bildschirmzeit-Regeln.
✅ Lösung: Statt einfach Regeln vorzugeben, das Kind mit einbeziehen.
➡ „Ich merke, dass es dir schwerfällt, die Regel einzuhalten. Was könnten wir tun, damit es besser funktioniert? Hast du eine Idee?“
💡 Warum das funktioniert: Kinder sind eher bereit, sich an Regeln zu halten, wenn sie mitentscheiden dürfen.
Das sind jedoch nur Anregungen. Find die für deine Familie passenden Regeln und Konsequenzen heraus. Binde gerne auch die Kinder ein. Das machst du am besten, indem die Folgen von Regelverstößen direkt zusammen mit den Regeln vereinbart werden. Dein Kind weiß dann auch gleich welche Auswirkungen es hat, wenn es sich nicht an eure Vereinbarungen hält.
Macht als Familie auch eine regelmäßige Reflexion der Regeln. Passen sie für euch noch? Können alle sich an sie halten? Wenn nein, warum nicht? So stellst du sicher, dass die Bildschirmzeit-Regeln eingehalten und auch gelebt werden.

Fazit
Wie du siehst, kann es ganz schön aufwändig sein Regeln für die Bildschirmzeit aufzustellen und umzusetzen. Wichtig ist, dass die Vorgaben klar und realistisch für euren Alltag sind. Bist du alleinerziehend sehen die Regeln höchstwahrscheinlich anders aus, als wenn du als 6-köpfige Familie mit den Großeltern in einem Haus wohnst. Das ist auch völlig in Ordnung und normal. Vergleiche dich nicht mit anderen. Für euch als Familie muss es passen.
Selbstverständlich ist eine Balance zwischen realem Leben und digitaler Welt nötig. Nur so können sich Kinder gut entwickeln. Den sozialen Umgang mit anderen und viele körperliche Fähigkeiten lernen wir nun mal nicht vor dem Handy oder dem Laptop.
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